Fraktionserklärung (FE) der Mitte: «Sicherung der ärztlichen Versorgung»
30. September 2024 – Der Kanton Zürich ist dafür verantwortlich, der Bevölkerung eine ausreichende, wirtschaftlich tragbare medizinische und pflegerische Versorgung zur Verfügung zu stellen. Dazu gehört, für genügend und qualifiziertes Fachpersonal zu sorgen. Die Schweizer Gesundheitsversorgung ist heute stark von ausländischen Fachkräften abhängig. Die Mitte Fraktion wird deshalb heute mit Unterstützung von weiteren Fraktionen drei Vorstösse zur Sicherung der Aus- und Weiterbildung von mehr Ärztinnen und Ärzten einreichen.
Der Ständerat hat am letzten Montag mit einer deutlichen Mehrheit von 32 zu 9 Stimmen dem Antrag zugestimmt, dass der Numerus clausus abgeschafft werden soll. Nachdem der Nationalrat diesen Beschluss bereits gefasst hat, muss der Bundesrat eine Alternative zum Numerus clausus erarbeiten. Es ist erfreulich, dass man in Bundesbern endlich erkannt hat, dass die viel zitierte Ärzteschwemme nicht existiert. Im Gegenteil, es besteht ein Mangel, der sich in den kommenden Jahren noch verschärfen wird. Der Ärztemangel ist in erster Linie durch das Fehlen von genügend Ausbildungsplätzen für angehende Ärztinnen und Ärzte begründet. Während fast drei Jahrzehnten wurde die Zahl der Studienplätze absichtlich tief gehalten, um die Gesundheitskosten zu senken. Das Narrativ „die Gesundheitskosten explodieren, weil es zu viele Ärztinnen und Ärzte gibt“ hat sich leider zu lange gehalten. Die Warnungen der Ärzteschaft wurden während Jahren in den Wind geschlagen und als Panikmacherei abgetan.
Die Beschränkung der Studienplätze war politisch gewollt. Deshalb mussten Methoden gefunden werden, um die begehrten Plätze zu verteilen. In der welschen Schweiz entschied man sich, alle Interessierten das Medizinstudium beginnen zu lassen. Diese Methode entspricht einer einjährigen Probezeit. In dieser Zeit werden nämlich Prüfungen mit Schwerpunkt Physik und Chemie durchgeführt. Die Messlatte ist so angesetzt, dass die Zahl der Studierenden die Anzahl klinischer Studienplätze nicht übersteigt. Diejenigen Studierenden, welche die Prüfungen nicht bestehen – und es sind viele –, verlieren so mindestens ein Jahr, um dann ein anderes Studium zu ergreifen. Das ist ineffizient und kostet Geld.
In Zürich benutzt man einen Eignungstest – den Numerus clausus –, um die Studienplätze zu vergeben. Diejenigen, die den Test bestehen, werden jedoch noch lange nicht zu Ärztinnen und Ärzten ausgebildet. In den letzten Jahren hat sich nämlich gezeigt, dass viele Medizinstudentinnen bzw. Medizinstudenten bereits vor dem Staatsexamen aussteigen. Dazu kommt: fast ein Drittel hängt den Beruf in den ersten Assistenzjahren an den Nagel.
Es stellt sich deshalb die Frage, ob der Eignungstest in angewendeter Form geeignet ist, die zukünftigen Ärztinnen und Ärzte zu selektionieren. Wir bezweifeln dies. Studierende der Humanmedizin haben erstmals im fünften Studienjahr Einblick in die Arbeitswelt und kommen erst dann zum ersten Mal in Kontakt mit kranken und sterbenden Menschen. Um sicher zu stellen, dass Absolventinnen und Absolventen des Eignungstests vor Beginn des Medizinstudiums feststellen können, ob der Berufsalltag einer Assistenzärztin oder eines Assistenzarztes mit Schicht- und Wochenendarbeit und administrativen Arbeiten ihren Vorstellungen entspricht, verlangen wir in einer Motion, dass ein sechsmonatiges Pflegepraktikum zu absolvieren ist, um zum Eignungstest zugelassen zu werden.
Am 4.7.2022 hat dieser Rat die Motion KR-Nr. 125/2021 von Janine Vannaz an den Regierungsrat überwiesen. Der Rat hat dafür bereits eine Fristerstreckung gewährt. Die Motion verlangt, dass mindestens 72 zusätzliche Studienplätze geschaffen werden. Seit der Überweisung der Motion hat sich aber gezeigt, dass eine wesentlich höhere Anzahl von Studienplätzen geschaffen werden muss, um dem akuten Ärztemangel zu begegnen. Deshalb verlangen wir mit einem dringlichen Postulat, dass der Regierungsrat aufzeigt, wie und mit welchen finanziellen Mitteln die Zahl der Studienplätze um 500 erhöht werden kann und welche Anpassungen allenfalls am Studienplan vorgenommen werden müssen.
Die stationären Institutionen des Gesundheitswesens bilden heute gemäss ihrem Ausbildungspotenzial Fachkräfte aus. Für ihre Ausbildungsleistung erhalten sie eine Abgeltung vom Kanton. In Zukunft ist die Förderung von ambulanten Weiterbildungsplätzen von entscheidender Bedeutung, da im Rahmen des Konzeptes «ambulant vor stationär» mit einem substanziellen Verlust von stationären ärztlichen Weiterbildungsstellen zu rechnen ist. Deshalb wird mit der Motion „Weiterbildungsbeiträge für Assistenzärztinnen und -ärzte in ambulanten, vom Schweizerischen Institut für Weiter- und Fortbildung SIWF und den Fachgesellschaften anerkannten Einrichtungen“ vom Regierungsrat verlangt, die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, damit Weiterbildungsbeiträge auch an ambulante Weiterbildungsstätte ausgerichtet werden können.
Die Mitte ist sich bewusst, dass durch die Umsetzung der eingereichten Vorstösse das Budget des Kantons Zürich massiv belastet wird. Wir sind aber davon überzeugt, dass diese Investitionen unumgänglich sind, um die ärztliche Versorgung der Bevölkerung des Kantons in der Zukunft sicherzustellen und die Abhängigkeit von ausländischen Ärztinnen und Ärzten zu verringern.